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Ausreichend Rechtskundigkeit in Österreichs Gemeinden?
Gemeinderechts-Experte Wolfgang Schubert im Interview mit anwalt aktuell
Wolfgang Schubert ist Rechtsanwalt und Partner bei BLS Rechtsanwälte und hat jahrzehntelange persönliche Erfahrung als Gemeindevertreter. Im Interview mit Dietmar Dworschak von anwalt aktuell spricht er über die Herausforderungen für Gemeinden und Mängel an juristischem Knowhow.
DEFIZITE. Österreichs rund 2.100 Gemeinden sind wirtschaftlich und verwaltungstechnisch das Rückgrat der Republik. Die Machtfülle der Bürgermeister korreliert nicht immer mit dem nötigen Rechtswissen in der Gemeinde. Während sich Städte traditionell eigene Juristen leisten, wird „draußen am Lande“ oft selbst gestrickt.
Die „Salzburger Nachrichten“ fragen am 11. September dramatisch: „Sind Rechtsanwälte als Ortschefs unerwünscht?“ In der Story geht es um die Gemeinde Bergheim, deren Bürgermeister Robert Bukovc Rechtsanwalt ist und Sorge hat, es könnte bei einer Novellierung der Rechtsanwaltsordnung zu einer Art Berufsverbot für Anwälte in Gemeindefunktionen kommen. Ein mittlerweile beauftragter Gutachter teilt diese Befürchtung nicht. Der gegebene Anlass bietet sich aber an, über das Thema „Wie steht es um die Rechtskundigkeit in Österreichs Gemeinden?“ grundsätzlich nachzudenken.
Der Praktiker sieht Mängel
Dr. Wolfgang Schubert, Rechtsanwalt und Partner der Wiener Kanzlei BLS, hat sich seit 1987 und bis vor kurzem in seiner niederösterreichischen Heimatgemeinde politisch engagiert. Aus nächster Nähe kennt er Probleme und Mängel mit dem Recht: „Die sich ständig ändernden Gesetze und deren Einhaltung bringen einen riesigen Verwaltungsaufwand, der gerade in kleinen Gemeinden fast nicht geleistet werden kann.“ Seine Kanzlei bietet – unterfüttert von Schuberts Expertise – juristischen Beistand für Gemeinden an. Er sieht zwei wesentliche Beratungsbereiche: „Im Baurecht stellen wir oft einen Kompetenzmangel der Gemeinden fest, was angesichts der Komplexität mancher Projekte kein Wunder ist. Aber auch bei der Festsetzung und Eintreibung von Gebühren liegt einiges im Argen.“ So komme es durchaus vor, „dass die Gebühren-Eintreibung im Jahr der Gemeindewahl gedrosselt wird.“ Ein Schelm, der hier schlecht über den Bürgermeister denkt! Zur Rechts-Kompetenz in der Gemeinde sagt Schubert: „Die zentrale Expertise sollte eigentlich der Bürgermeister selbst haben.“ Dies sei jedoch nur ganz selten der Fall (siehe oben). Dass sich neuerdings junge Juristinnen und Juristen als Amtsleiter:innen bewerben und meist auch angestellt werden sieht er jedenfalls als gutes Zeichen.
Ausbildungsangebote?
Einer, der die Lage von der anderen Seite her bestens kennt, ist Helmut Mödlhammer. Von 1999 bis 2017 war er Präsident des Österreichischen Gemeindebundes, daneben Bürgermeister der Salzburger Gemeinde Hallwang. Der gelernte Journalist bringt die Mangellage quer durch die Republik auf den Punkt: „Die Ausbildung ist sehr unterschiedlich und man kann leider nicht von einem einheitlichen Niveau sprechen. Die Ausbildungsangebote differieren je nach Bundesland. Während in Niederösterreich Kurse und Seminare sowohl für Bürgermeister wie auch für Amtsleiter angeboten werden gibt es ähnliches in anderen Ländern – wie etwa in Salzburg – nicht.“
Neben einem konkreten einheitlichen Bildungsprogramm in Sachen Gemeinde-Management würde sich Mödlhammer einen „Pool von Experten“ wünschen, auf den Bürgermeister und Amtsleiter zugreifen können, inklusive auch psychischer Betreuungsangebote. Denn der Druck speziell auf die Bürgermeister sei nicht zu unterschätzen. Für besonders wichtig hält er ein Angebot der Ausbildung und Fortbildung für die Amtsleiter:innen: „Hier fehlt es oft an wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise.“
Services für Gemeinden einrichten
Rechtsanwalt Schubert und Ex-Gemeindebund-Präsident Mödlhammer formulieren voneinander unabhängig den Vorschlag, „auf Bezirksebene Kompetenzzentren einzurichten“, auf die die Gemeinden bei wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen zugreifen können. Besonders bei Bauangelegenheiten und Gebührenfragen wären solche Services sehr hilfreich.
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Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 4 von anwalt aktuell im September 2023 erschienen und hier nachzulesen: >> Ausreichend Rechtskundigkeit in Österreichs Gemeinden? (PDF)
Hörtipp: Was dürfen Bürgermeister:innen und was nicht?
Darüber hat Wolfgang Schubert kürzlich der Wiener Zeitung in einem Podcast Auskunft gegeben. Weitere Information und kostenlos anhören: Was dürfen Bürgermeister:innen und was nicht?